Bärstadter Kerbespruch 1956

 

Vor hundert und ich wie nicht ganz genau die Jahr,

als hier von uns noch keiner war,

ward unsre Kirche eingeweiht – zum Tempel für die Christenheit.

Auf festem Grund steht sie gebaut – und trotzet jedem Sturm,

und ihre Glocken rufen laut – von dem hohen Turm.

Sie laden uns zur Feier ein – und mahnen zum Gebet,

sie bringen uns den Morgengruß und tönen wenn der müde Fuß
des Nachts zur Ruhe geht!

Selbst ihre Trauerklänge schallen – wenn wir nach jener Stätte wallen.
Doch vor allem sei ein Ziel gesteckt, dass uns kein Feuerruf mehr weckt
Drum wollen wir diesen Bund erneuern und heute unsre Kirchweih feiern – V i v a t!

 

Ich begrüße Euch alle, Ihr lieben Gäste
heiße Euch herzlich willkommen an unserem diesjährigen Kirchweihfeste
wir danken für Eueren zahlreichen Besuch
und für Euer Interesse am Spruch und Zug
wir hoffen, dass Ihr jetzt tüchtig Kerbesprüch kauft
und nach dem Spruch nicht gleich wieder heimlauft.

Geht mit uns in den Saal hinein und trinkt den guten Kerbewein

Frohsinn und Lachen, Tanz und Gesang so soll es bleiben 2 Tage lang.

Ich braucht das auch nicht zu bereuen, heut sollt ihr euch mal tüchtig freuen,

lasst Euch durch gar nichts mehr verdrießen, tut froh wie wir die Kerb genießen.

Vergeßt die Arbeit und die Sorgen, veschiebt das alles auf übermorgen,

seid nur nicht zäh, laßt’s heute Euch was kosten,

schwenkt Mädchen und Fraun, und lasst die Kehle nicht rosten,

Ich rat Euch, guckt nicht so viel auf’s Geld
Ihr nehmt ja doch nichts mit von der Welt,

guckt lieber nach den schönen Frauen, wie sind sie herrlich anzuschauen,

doch von allen die Schönsten hier, das sind unsre Kerbemädchen eine Zier,

mit Löckchen und Wellen und Rosen im Haar, ja Schleifchen tragen sie sogar
die Augen blitzen vor Übermut, die Wangen erglühen in Purpurglut
Ihr Kerbebursche seid kreuzfidel, trinkt und tanzt, macht keine Keilerei
bleibt Euern Mädchen auf nach der Kerb treu! – V i v a t!

 

Es lebe unser Herr Bürgermeister recht wohl,

gönnt ihm doch ein Gläschen Alkohol,

was er geleistet, tut er gerne erzählen,

doch Undank ist der Welt Lohn, sie wollen jetzt einen anderen Bürgermeister wählen.

Was man hat das weiß man, was man krieht weiß man nicht
wählt nur keinen alten Depp oder einen Stoffel, das wär eine böse Geschicht,

dann tut die Frau regieren und im Örtchen das Regiment führen.

Auch neue Gemeindevertreter müssen her,

die Alten liegen uns im Magen schwer,

die Kerwebursch hat’s schwer gewunnert,

sie wurden 1954 zum Zahlen verdunnert,

Zorn und Wut hat sie angefloge
und wegen der Lampe wurde 1955 keine Kerb uffgezoge.

Doch haben Bürgermeister und Vertreter auch viel Gutes gemacht,

es sei nur an die Wasserleitung, an die Schul,

an das Volksbad und an den Kindergarten gedacht;

jede einzelne Sache davon bringt ihnen eine gute Zensur ein
und wir wollen aus diesem Grund mit ihnen wieder einig sein.

Drum Ihr Leut wählt wieder die Alten,

bekanntlich wird man von denen gut gehalten! – V i v a t!

Der neue Herr Lehrer hat unsre Gnad, doch für Bärstadt ist er fast zu schad,

alle Ehrenämter werden ihm anvertraut,

aber eine Autogarage hat man ihm noch nicht gebaut,

die neue Schule hat er gleich übernommen
und als Helfer einen feinen Schuldiener bekommen;

dem hat man gleich die Ortsschelle in die Hand gedrückt,

weil der Andere die „Kleinen“ für „Große“ hat angeblickt.

Schullehrer und Schuldiener halte die neue Schule sauber und in Ehren,

dass man nur viel Lob und Gutes von Ihnen kann hören.

Nun wollen vom Sommerfest wir schwetzen, was da zu loben und auszusetzen,

zu loben ist die Einigkeit, wie jeder geholfen hat mit Freud,

schon beim Zeltbau war alles richtig,

Kellnerinnen und Kellner verkauften tüchtig;

beim Worschtstand waren sie schwer auf Zack,

auch beim Büffet mit Wein, Bier und Tabak
beim Schießstand ging es um Ringe und Preise,

da konnte viele Ihre Treffsicherheit beweise;
es hat sich dann herausgestellt, dass es garnit an gute Schütze fehlt,

beim Preiseaussuchen wollte jeder einen Fehler vermeiden,

nur die Frau Förster war zu bescheiden;

und ganz am Schluß, da wollte ein paar Buwe ihre Stärk zeiche,

do dat se de Paul mit em Wasserschlauch einweiche. – V i v a t!

 

Dem jungen, schmucken Jagdpächter
Horrido, Weidmannsheil, Weidmannsdank der Bock ist weder tot noch krank,
schon über ein Jahr lässt er ihn am Leben, weil’s andere Freuden noch tut geben.

Schöne Autos und dann Rennen, man lernt überall süße Rehlein kennen,

ihr Lieben hütet euer Herz, denn noch ist es kein Ernst, nur Scherz,

und käme es anders im Lebenslauf,

getrost, er kommt für den vollen Wildschaden auf. – V i v a t!

 

Oft sprach ein bekannter Zimmermeister, Bärstadt gibt noch „Klein-Paris“,

beinahe wäre es wahr geworden, doch nur „Klein-Hollywood-Flimmerparadies“;

die „Goldne Pest“ war ausgebrochen, jeder Zweite ein großer Star
und wer sonst nie in die Kirche geht, saß beständig vorm Altar.

Regisseure sind kluge Leute, sehen es gleich jedem an;

wer ein ausgesprochenes Fimmelgesicht (Verzeihung Filmgesicht) hat

und wie man akademisch Eingebildete (Verzeihung Ausgebildete)
ein- oder aussetzen kann.

Und wer Filmstar ist gewesen, darf nur noch den eigenen Wagen besteigen,

wenn es im Anfang auch sehr schwer hält,

dem Dorfbrunnen und dem Gartenzaun auszuweichen – V i v a t!

 

Eine lustige Witwe, lebt der Liebe, und Männern erwuchsen süße Triebe;

ein Andrang, ‚s Geschäft ging wunderschön,

war Einer drin, musste der Andere vor der Türe steh’n;
selbst Holz wollt er holen nachts im Wald, da hat ihm aber seine Frau eine geknallt
und wie der Andere nicht mehr braucht zu kommen
da hat auch der Hausbau seinen Fortgang genommen.
Ja der Hausbau ist jetzt populär, gebaut wird in allen Ecken,

man baut die schönsten Villas hier, auch ‚ne Hühnerfarm ist zu entdecken;

jetzt fehlt nur noch ein Denkmal, Sportplatz und ein modernes Spritzenhaus,

doch für so Sache werfe kein Geld wir hinaus. – V i v a t!


 

In Wambach beim Faust saß ein guter Gast, doch plötzlich ging er voller Hast,

als de Heine wollt sich en Zigarre nemme, fing er entsetzlich an zu schenne,

der Zigarrenkasten war verschwunden,

die Polizei hat ihn erst wieder in Bärstadt gefunden,

doch der gute Gast braucht beim Puddelfahr’n,

an dene billige Klimmstengel nit zu spar’n. – V i v a t!

 

Im letzten Kerbespruch ging’s um de Watz, aach jetzt war wieder eine große Hatz,

um de Bulle un de Bock, es war entsetzlich schwer,

do musst eine Bürgerversammlung her;

die Gemüter waren zur Weißglut erhitzt,

wege dem Hauskauf hat sich’s so zugespitzt;

warum denn blos so ein Aufwand mache,

do kann man höchstens drüwer lache. – V i v a t!

 

Die Halbstarken werden ein Problem und manchmal verdammt unangenehm,

und sind sie noch besoffen und man geht zu dicht herbei,

dann kann es schnell geschehn, da hat man eine am Ei;

doch mache die nochmals so en Zucht, dann kriehese sicher eine gehörige Wucht.

Auch hatten Drei viel getrunken, bis in die tiefe Nacht,

sie sinn nicht umgesunken, hamlich hawe se sich in die Braumach gemacht,

die Sensen legten um was steht, umsonst wurd’s Wißche abgemäht. – V i v a t!

 

Doch herjeh was muß ich sehe, die Medcher bleibe uns nit mehr stehe,

aach die Borsch zieht’s in de Saal, doch zuerst halte se noch Kerbesprüch fahl,

die Musikante sind in Form, mit Blech, Trompete und Horn;

das Neuste spiele se mit Geschick, vergesst aach nur die Alte nit.

Doch jetzt hinein zu frohen Runden, ich wünsche euch vergnügte Stunden,

de Wirt bringt das Beste aus Küche und Keller,

hebt die Gläser und leert die Teller,

die diesjährige Kerb soll euch in froher Erinnerung bleibe,

all hinter mir her, zum lustige Kerbetreibe! – V i v a t!